Hyoscyamus, das Bilsenkraut, gehört zu den Arzneien, mit denen sich Andreas Krüger in den letzten Jahren am meisten beschäftigt hat. Das Grundproblem dieses Mittels liegt darin, dass der Betroffene sich für einen wesentlichen Anteil (z. B. sexuelles Verlangen) seiner Persönlichkeit
Während die Sexualität als häufigstes Hyoscyamus-Konfliktfeld bekannt ist, liegt der Schwerpunkt dieses Sonntags auf einem noch stärker tabuisierten Thema: der Rehabilitation des Magier-Archetyps, d. h. dem Persönlichkeitsanteil der inneren Hexe / Hexer. Hyoscyamus ist die bislang einzige bekannte Arznei mit dem Symptom: "Muss leugnen, eine Hexe zu sein". Mit einer Imaginationsübung zur Ehrung des eigenen magischen Potenzials sowie einer Trancereise zur verbrannten Hexe bietet Andreas Krüger einen Zugang zu diesem oft verleugneten, aber potenziell mächtigen Archetyp. Abgerundet wird seine vielseitige Studie mit zwei berührenden Patientenfällen.
Sven Jehle und Rayk Schörling stellen Differenzialdiagnosen zu weiteren Arzneien vor, die ebenfalls mit Traumatisierung, Sexualität und Spiritualität zu tun haben: Belladonna, Stramonium, Lachesis und Lilium Tigrinum. Die astrologische Studie von Michael Antoni stellt das Planetenprinzip des Uranus (Wassermann) vor, in Verbindung mit astrologisch-archetypischen Themen von Nachtschattengewächsen generell: Mars, Venus und Mond. Die Figur des Narren, Harlekin oder Umstürzlers korrespondiert mit der Hyoscyamus-Wahnidee: "Ist ein Harlekin". Darüber hinaus geht es um Herakles den Helden-Archetyp der griechischen Mythologie. Er muss lernen, der (eigenen) Weiblichkeit wohlwollend zu dienen.
Auf seiner Suche nach Liebe und Zuneigung verfängt sich Hyoscyamus häufig in sexuellen Abenteuern. Von außen als schamlos stigmatisiert, kämpft es innerlich mit seinem verletzten Urvertrauen, das nach Bestätigung und Anerkennung strebt. In der Ambivalenz zwischen schamhaft und schamlos, zwischen sexueller Befriedigung und Ekel umtreibt Hyoscyamus die Sehnsucht nach bedingungsloser Hingabe und vertrauensvoller Bindung.
Irmgard Schmitz berichtet in ihrem Vortag Intimes, Schamhaftes und Berührendes. Sie erzählt von ihrem Preis, den sie für ihren Wunsch, "Queen der Disco" zu werden, zahlen musste.
Die ergreifende Geschichte einer Befreiung.
Irmgard Schmitz (Foto: Martin Bomhardt)
Aus: Schmitz, Irmgard: Hyoscyamus - Dramen, Tragödien und Dämonen (HT-452)
Auszug aus dem Vortrag von Andreas Krüger
Ich möchte Hyoscyamus heute erarbeiten anhand einiger typischer Wahnideen und werde dann zu diesen Wahnideen immer einige Fälle erzählen, um das ein bißchen aufgelockert zu haben. Und ich fange mit der schönsten Wahnidee an, die Hyoscyamus hat und setze mein neues Arbeitswerkzeug dazu auf: diese Pappnase hier (Lachen im Raum). Also, nach Patch Adams ist diese Nase hier das wichtigste therapeutische Handwerkszeug, und ich kann euch wirklich sagen, da ist was dran. Ich habe sie jetzt immer auf meinem Schreibtisch zu liegen, und ihr glaubt nicht, wenn der Natrium-Patient nach einer Dreiviertelstunde sich immer noch hartnäckig weigert, mir die Wunderfrage zu beantworten, (Natrium-Leitsymptom - Wunder gibt's nicht, selbst eine gewisse Beschwerdelosigkeit muß man sich hart erarbeiten, außerdem ist Leid ja sinnvoll. Wie sollen wir uns ohne Leid weiterentwickeln), dann höre ich zu, ich versuche ja nicht zu widersprechen. Und irgendwann greife ich auf meinen Schreibtisch und setze einfach die Nase auf, und ihr glaubt gar nicht, wieviel Fröhlichkeit mit einem Mal da ist, und schon fängt der Patient an, wundersam loszulegen. Das ist immens.
Oder letztens habe ich es in der Berliner Bank probiert. Zehn miesepetrige, stirnzerknautschte Charlottenburger Jungjuppies standen vor mir am Schalter, und ich kam gerade aus unserem heiteren Büro, stellte mich in die Reihe und dachte, ne, das überlebe ich nicht. Was habe ich gemacht, ich habe einfach die Nase aufgesetzt. Und schon lächelten sie. Zwei sprachen mich an, wo ich denn gerade herkomme, und ich habe einfach gesagt, aus der Heilpraktikerschule da drüben. Ich bin der Leiter dieser Heilpraktikerschule. Das war echt total nett. Das war ganz nett. Der Bankbeamte verzählte sich sofort. Also, ich empfehle das auch morgens in der U-Bahn, Linie 1.
Hyoscyamus ist das einzige Mittel in der Rubrik Wahnidee: Ist ein Narr. Wer Patch Adams gesehen hat, der denkt, wie kann man denn anders
Therapie machen als närrisch. Aber ich weiß, dass das mal eine Beleidigung war, die mich zwei Tage in Depressionen gestürzt hat, als ich eben noch nicht Hyoscyamus genommen hatte und noch nicht erkannt hatte, wie wichtig die heuen Narre. sind, wie die Griechen sagen, die Agiostrel-, li, die heiligen Narren. Ich habe meine ersten öffentlichen Vorträge gehalten, und irgendwann kam jemand zu mir und sagte: Ach du, ich habe mit dem Doktor Sowieso gesprochen, berühmter Homöopath, und habe ihm gesagt, dass ich bei dir im Seminar war, und der kennt dich, und ich war schon ganz stolz, Herr Dr. Sowieso kennt mich. Mein Gott, ist ja fast wie Abitur nachmachen.
Jedenfalls war ich ganz stolz, dass dieser Doktor mich kannte, und dann sagte der Mensch, der ihn gefragt hatte, ja der hat gesagt, du bist der Rudi Carrell der Homöopathie.
Das stürzte mich damals noch eine Woche in Depressionen. Jedenfalls hatte mich dieser Rudi Carrell getroffen. Hätte er gesagt, ich bin der Mitscherlich der Homöopathie, der Markuse der Homöopathie, irgendwie so was ja, aber nein, Rudi Carrell. Ich rannte natürlich sofort zu meinem Therapeuten am nächsten Tag und sagte, ja, bin beleidigt worden, und diese Bösen, und keiner liebt mich und jammerte ihm irgendwie pulsatillerisch was vor, und er sagte, nun bleib doch mal ruhig, jetzt desinfiziere dich doch mal mit deinem ganzen Kinderschmerz und dann laß uns doch mal Rudi Carrell angucken. Was fällt dir denn so zu Rudi Carrell ein? Tja, meine Mutter lacht und weint und macht sich in die Hose, wenn sie den sieht. Sagt er: und was ist daran schlecht, wenn deine Mutter fröhlich ist? Ne, ich hab das gerne, wenn meine Mutter fröhlich ist. Ja und was fällt dir noch ein? Oh, der verdient total viel Schotter.
Ja, was ist daran schlecht? sagt der Therapeut. Überhaupt nichts. Der kriegt für eine Fernsehsendung soviel wie ich im Jahr verdiene. Sagt er: würdest das gerne haben? Sag ich: Aber natürlich. Dafür mach ich im Fernsehen alles. Dafür moderiere ich auch Peep. Also, das ist mir völlig egal. Du, würde ich auch machen. Ich hab zum Glück wenig caustische Anteile. Mit diesen moralischen Geschichten mußte ich mich zum Glück nicht so auseinandersetzen. Außerdem spreche ich mindestens so gut deutsch wie Verena Feldbusch.
Und dann arbeitete der Therapeut eine Stunde lang mit mir psychosynthetisch über Rudi Carrell. Und da kam dann dabei raus, dass Rudi Carrell mit Abstand der erfolgreichste Fernsehmanager damals war. Dass seine Shows mit Abstand die höchsten Einschaltquoten hatten, und zum Schluß sagte ich, also hat der Herr Dr. mir eigentlich ein Kompliment gemacht. Eigentlich ist es ein Kompliment. Und seit dem hab ich meinen inneren Rudi Carrell an meiner Tafelrunde, und heute morgen habe ich ihn auch ganz bewußt eingeladen und hab ganz bewußt zu ihm gesagt, du, komm mit, steh mir heute bei. Heute möchte ich die Leute auch ein bißchen durch Hyoscyamus belustigen.
Was macht ein Narr? Er macht heiter. Er macht aber heiter oft auf eine ernste Art und Weise, und er erinnert uns, ich würde mal sagen, an unser letztes innerstes Lachen. In meiner traurigsten Lebenssituation, nach dem Verlust meiner Tochter, bin ich eines Abends schlafen gegangen und hab meinen damals von mir sehr kritisierten Gott gefragt: Warum tust du uns Menschen das alles an? Warum machst du das mit uns? Warum quälst du uns so? Warum? Ja, laß doch deinen Sadismus woanders.
Ich hatte nicht mal gehofft, dass dieser Gott sich meldet. Aber in dieser Nacht erschien mir diese von uns gegangene Tochter. Sie war etwas größer, sie war etwas älter. Sie ist mir danach nach öfters erschienen. Sie wirkt immer relativ streng in diesen Träumen. Sehr apodiktisch. Und sie sagte zu mir: Ihr Menschen, ihr kleinen Menschen, was bildet ihr euch überhaupt ein, wozu ihr überhaupt da seid. Ihr habt nur eine einzige Aufgabe, eine einzige und die ist, unseren traurigen Gott lustig zu stimmen. Ihr seid Narren Gottes. Mehr nicht. Punkt.
Aus: Berliner Heilpraktiker Nachrichten 01/2000, transkribiert von Angelika Lex und Marion Rausch
Aus: Krüger, Andreas: Hyoscyamus (AMB, Trance, Erfahrungen) (SO-63)
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