"Die Schlangen behüten uns"
Schlangen werden im Allgemeinen als machtvoll, bezaubernd und abschreckend zugleich empfunden. In der Signatur der gespalten Zunge kommt diese starke Ambivalenz augenfällig zum Ausdruck. Bereits seit dem frühesten biblischen Mythos (Vertreibung Adams und Evas aus dem Paradies) werden Schlangen mit dem Bösen assoziiert. Doch werden ihnen ebenso große Heilkräfte zugeschrieben. Seit der legendären Lachesis-Prüfung von Constantin Hering haben sich die Schlangen auch einen unverzichtbaren Platz im homöopathischen Arzneimittelschatz erobert.
An diesem Homöopathischen Sonntag widmen sich Denise Lang, Ulrike Müller und Sara Riedel sowohl der inneren Konflikthaftigkeit verschiedener Schlangenarzneien als auch ihrer verwandelnden und schützenden Kraft.
Denise Lang befasst sich mit der Würgeschlange Boa constrictor (Abgottschlange). Obgleich die langsamste aller Schlangen, neigt sie zur Ungeduld und zum Jähzorn. In ihrer homöopathischen Charakteristik finden wir typische Schlangenthemen wie Eifersucht, Konkurrenzdenken oder Klatschsucht. Weitere Merkmale sind eine Gier beim Essen, Neigung zu Übergewicht und eine Verschlechterung der Beschwerden vor den Menses. Boa hat sich bei Karpaltunnelsyndrom, bei Blutungen und bei Beschwerden im Gastrointestinaltrakt bewährt.
Anhand von vier kurzen Fallbeispielen veranschaulicht Ulrike Müller prägende Merkmale von Lachesis. Ihr Motto könnte lauten: "Worauf kann ich mich verlassen, wenn nicht auf mich selbst?" - ein wichtiges Mittel, wenn die eigene Vorstellung vom Leben (Lebenslüge?) in Frage steht und überprüft werden muss.
"Jede Kultur hat ihre Schlange."
Vipera berus (Kreuzotter) ist als kulturtypische Schlange Mitteleuropas bereits von der Ausrottung bedroht! Sie ist weniger aggressiv als Lachesis, mit weniger schmerzhaftem und seltener tödlichem Biss. Ihre Taktik besteht im Totschweigen und sich Totstellen in Form scheinbarer Lähmung. So lässt Vipera auch einen Missbrauch lange Zeit über sich ergehen, jedoch mit innerem Hass, Verteufelung und Verurteilung. Der Kern ihrer Verletzung bleibt verborgen, nichts wird öffentlich gemacht - Sprechen darüber verboten!
Sara Riedel befasst sich mit der engen Verbindung der Schlangen mit dem Weiblichen. Fast alle Schlangen sind von der Wahnidee besessen, zu kurz gekommen zu sein und keine Möglichkeit zu haben, ihre Individualität frei zu entfalten. Oft werden sie als kompliziert, unklar und verwirrend empfunden, weil sie sich selten geradlinig durchs Leben bewegen. Die Lösung ihrer Probleme und Dramen liegt in der Einfachheit.
Sara Riedel stellt Naja tripudians (Indische Kobra) und Crotalus horridus (Klapperschlange) vor. Bei Naja geht es um übermäßige Unterordnung, Anerkennung des Unveränderlichen, Pflichtbewusstsein und nachfolgende Depression. Crotalus horridus leidet ebenfalls unter der Wahnidee, von Feinden umgeben zu sein und verzweifelt an einem scheinbar alternativlosen System. Sie ist eher verkopft und trifft daher kalte, unnachgiebig harte Entscheidungen. Um zu überleben, muss sie ihre Gefühle unterdrücken.
Dieser einfühlsame Blick auf die Gemeinsamkeiten und Ambivalenzen verschiedener Schlangenarzneien schafft ein Verständnis für ihre tief heilende und beschützende Kraft.
Vorgestellte Schlangen in Stichwörtern
- Boa constrictor: Würgeschlangen. Verschlingt ihre Beute am Stück. Langsam, aber ungeduldig. Neigung zum Jähzorn, aber auch zahm und friedlich. Eifersucht, Konkurrenzdenken. Klatschsucht. Karpaltunnelsyndrom, Blutungen und Beschwerden des Gastrointestinaltrakt, gieriges Hinunterschlingen von Nahrung, Übergewicht. Verschlechterung aller Beschwerden vor den Menses.
- Lachesis: Schicksalsgöttin. Rasende Eifersucht, Aggressivität. Angst, jemanden zu verlieren. Abneigung gegen Berührung und Beengung (Hals). Intensive, charismatische PatientInnen mit Themen wie Zweifel, Verteufelung, Sündenfall und Verführung. Unruhig, schnell erregt, besonders über Ungerechtigkeiten. Hang zu Verschwörungstheorien. Kontrollsucht.
- Vipera berus: Totschweigen, sich totstellen, wie gelähmt. Folgen von Missbrauch mit Stillschweigen. Leben in der Lüge. Strikte Trennung von Sex und Liebe. Hohe moralische Ideale mit Selbstverurteilung.
- Naja tripudians: frühe Unterordnung, Anerkennung einer scheinbar unveränderlichen gesellschaftlichen Rolle. Dennoch ausdrucksstarke Persönlichkeit, möchte in ihrer Größe gesehen werden. Aktive Brutpflege. Mitgefühl, ausgeprägtes Pflichtbewusstsein. Mangel an Selbstvertrauen. Sorge, dass alles misslingt. Tiefe Depressionen. Angst vor Verletzung, Auseinandersetzung und vor ihrer eigenen Sexualität. Herzbeschwerden.
- Crotalus horridus: Einzelgängerin, zurückgezogen. Lauert ihrer Beute auf. Verkopft, kalte, harte Entscheidungen. Unterdrückung der Gefühle. Verbannt die Weichheit aus ihrem Leben. Lebererkrankungen. Dunkle, unstillbare Blutungen. Ähnelt Lachesis, aber ohne Charisma.
Schlangen spielen in der Menschheitsgeschichte archetypisch eine besondere Rolle, angefangen vom Schöpfungsmythos, über Medusa, die Gralssucher (Merlin), als heilige Tiere in vielen Kulturen (z.B. Indien oder amerikanische Indianer), bis hin zum modernen Verständnis in der Homöopathie.
Dr. Beate Latour und Andreas Krüger suchen und untersuchen seit einigen Jahren in gemeinsamer Arbeit die praktisch umsetzbare Verbindung von schamanistischen Ansätzen und Homöopathie, für ihren persönlichen und heilerischen Weg und für neue Behandlungsmöglichkeiten des modernen Menschen. Aus dem Schamanismus haben sich insbesondere die Traumaorientierte Aufstellung (TOA) und die Timeline-Arbeit als enorm effektiv erwiesen in der Auflösung alter Muster und Glaubenssätze und ergänzen die homöopathische Mittelgabe. Auch können diese Rituale, ebenso wie schamanische Seelenreisen und Krafttier-Trancen, bei der Mittelsuche wegweisend sein. Bei Patienten fördern sie oft ungekannte Resourcen.
Mit ihrem Seminar "Die Erhöhung der Schlange" ehren sie die in der Vergangenheit häufig verfolgten Schlangen und begeben sich gemeinsam mit den Teilnehmern auf die Suche nach der "inneren Schlange", nach Anteilen von Lachesis, Vipera, Naja, Crotalus oder anderen Schlangenaspekten in der eigenen Persönlichkeit. Die intensive erotische Ausstrahlung des Schlangenwesens kann auf der pathologischen Seite Angst vor Sexualität und Lebenslust hervorrufen, auf der anderen Seite eröffnet ihr Zugang eine zentrale Kraftquelle, die auch ein Wesensmerkmal des Heilers (Merlin, Äskulap) ist. Woher rührt unsere Urangst vor Schlangen? Wo finden wir das Prinzip Häutung im Leben? Wie kommt es zur Verstrickung (und wieder Entstrickung) aus der Schlangenproblematik von Lüge und Verführung? Was sind Merkmale und Erkennungszeichen von noch recht unbekannten Schlangenmitteln wie Elaphe Longissima (Äskulapnatter) oder Toxicophis (Mokassinschlange)?
Neben spannenden Vorträgen, metaphorischen Geschichten (wie "Die Reise zu Merlin") und Fallbeispielen aus der Praxis sowie ausführlicher Betrachtung ihrer Signaturen und Essenzen, finden mehrere Trancen, schamanische Seelenreisen und "Überkreuzreisen" statt, außerdem Live-Vorführungen von TOA und Timeline. Ein berührendes, lehrreiches und - wie immer bei Latour und Krüger - lebensfrohes und spannendes Seminar.
Aus: Krüger, Andreas; Latour, Beate: Die Erhöhung der Schlange. Schamanismus und Homöopathie. (H-281)
>>>Die Würgeschlangen aus Sicht der C4-Homöopathie. Königspython, Anaconda, Tigerpython, Boa constrictor, Amethystpython, Regenbogenboa, Aesculapnatter"Jeder Augenblick ist intelligent - und er spricht zu uns."
Die Schlange ist als altes mythologisches Symbol eng mit dem Thema Heilkunst verbunden. Ein tiefes Verständnis für die Schlangenmittel und ein bewusster Umgang mit ihren Themen ermöglicht Therapeuten die Entwicklung der eigenen heilerischen Qualitäten als Voraussetzung für die sinnvolle Begleitung, Beratung und Therapie des Patienten.
"Die Welt der Würgeschlangen ist eine ohne Giftprinzip"
Während es bei den Giftschlangen um einen Widerspruch, eine anscheinend nicht lösbare innere Verletzung geht, ist das Lebensgefühl des Würgeschlangenprinzip wie vor der Vertreibung aus dem Paradies. Hier herrscht noch nicht die Spaltung und Unterscheidung der dualistischen, polaren Welt.
Witold Ehrler (Mitbegründer der C4-Homöopathie) hat die von ihm persönlich verriebenen und geprüften Würgeschlangen in ihren Wirkungsschichten zu einem Mandala zusammengefügt, das in Beziehung zu Ehrlers weithin bekanntem System der 14 Nothelfer steht.
Im vorliegenden Vortrag stellt er die Wesensarten von sieben Würgeschlangen vor. Sie repräsentieren bestimmte heilerische Entwicklungsstufen.
Die Riesenschlange Königspython (Python regius) befreit von Verboten und Scheuklappen. Sie führt das Leben, mit seinen Überraschungen, seiner Weisheit und seinen Chancen zum Augenblick hin. Im Einklang mit dem Kairos-Prinzip kann die Gunst des Gegenwärtigen besser erkannt und mutiger genutzt werden.
Die Anaconda (Eunectes murinus) birgt das Thema des Subjekt-Seins. Es geht darum, zu unterscheiden, welche Quelle direkt ins Leben oder aber in abstrakte Konzepte führt. Nicht der Geist, nicht die Konvention, nicht die Seele, sondern das Leben selbst macht Zivilisierte wieder zu lebendigen Menschen.
Auf der dritten Ebene begegnen wir der Boa constrictor (Königsboa/Abgottschlange). In ihr zieht sich das Ich zugunsten der Gemeinschaft zurück. Fruchtbare Begegnungen sind nur außerhalb von Hierarchie möglich, da Hierarchie immer Konkurrenz, Neid und Zwietracht hervorbringt. Es geht um das Fühlen des sozialen Körpers.
Bei Tigerpython (Python molurus), Schlange der C4-Ebene, geht es um echte Liebesentscheidungen. Solche freien Entscheidungen können wir nur als Einzelne treffen. So verbindet diese Schlange den Einzelnen innerlich mit einer allumfassenden Kraftquelle und mit dem tieferen Sinn seines Lebens.
Amethystpython (Morelia kinghorni) hilft dem Menschen bei seiner Aufgabe, höhere objektive Ordnungen zu finden und mit ihnen in Dialog zu treten: "Bindet euch (ihr Therapeuten!) an höhere Ordnungen an. Erst dann seid ihr befugt, andere Menschen anzuleiten und zu therapieren."
Die Regenbogenboa (Epicrates cenchria) steht für die Verführung zum Leben. Sie befähigt auch, andere ins Leben zu führen, die nicht weiterkommen, und ihnen auch durch unkonventionelle Methoden auf die Sprünge zu helfen.
Die Aesculapnatter (Elaphe longissima) steht schließlich für das Prinzip der C7-Ebene: Das Selbst eines Therapeuten auf dieser Stufe muss vollkommen entleert werden können. Nur so kann er Patienten begleiten, ohne sie in die Irre zu führen. Der Patient wird befähigt, sein Lebensthema in Eigenverantwortung zu bearbeiten.
Querverweise & weitere Hauptthemen der Titel
Crotalus horr. Lachesis Naja tripudians Vipera berus
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